NICHTS kann viel mehr sein als gar nix - Die Leere als ein Raum des Empfangens und Werdens

Shownotes

Erstaunlicherweise kann Nichts sehr viel mehr sein als gar nix. In der jüdischen Mystik hat das Nichts eine ganz besondere Qualität, denn schließlich wurde, laut biblischen Schöpfungsbericht, die Welt auch aus dem Nichts geschaffen. Und nicht zuletzt spielt das Nichts als Leere in der Meditation eine wesentliche Rolle.

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00:00:22: Klosterflüstern!

00:00:24: Willkommen zum Podcast aus dem Kloster Trübeck.

00:00:28: Mein Name ist Stefan Wohlfahrt und ich versuche auch mit dieser Folge meine Hörer anzuregen und neugierig zu machen auf das, was für mich christliches Brutalität heilsam und sinnstiftend macht.

00:00:43: Heute?

00:00:45: Nichts kann viel mehr sein als gar nix.

00:00:51: Warum?

00:00:52: wahre Gotteserfahrung damit beginnt, loszulassen, leer zu werden, mich mit dem Nichts zu verbinden.

00:01:05: Ja, wir haben November.

00:01:07: Vielleicht spürst du den Novemberblues.

00:01:10: Alles ist am Vergehen.

00:01:12: Die letzten Blätter sind am Fallen, Nebel und zunehmende Dunkelheit, verschleiern die Landschaft und vielleicht auch unsere Seele und unser Gemüt.

00:01:23: Alles ist nichtig, ein Haschen nach Wind tönt es aus dem bliebwilligen Buch, coelit uns zu.

00:01:33: Denn wir haben nichts in die Welt gebracht, darum können wir auch nichts hinausbringen.

00:01:39: Alle sind aus Staub und kehren zum Staub zurück.

00:01:43: Alles ist nichtig, alles ist winter.

00:01:49: Der November ist genau der richtige Monat, um dem nichts der Lehre nachzuspüren.

00:01:56: Erstaunlicherweise kann nichts sehr viel mehr sein als gar nichts.

00:02:04: In der jüdischen Mystik hat es nichts eine besondere Qualität, denn schließlich wurde laut biblischen Schöpfungsbericht die Welt auch aus dem Nichts geschaffen.

00:02:16: Und nicht zuletzt spielt das Nichts als Leere in der Meditation der christlichen Mystik eine wesentliche Rolle.

00:02:28: Ich möchte mit einer Zahl beginnen.

00:02:31: Schauen wir einmal auf die Ziffer Null.

00:02:34: Ich sehe sie als Zahlenangabe als Ziffer und zugleich steht sie für das Nichts.

00:02:42: Null ist erst mal nichts.

00:02:45: Doch so einfach ist es auch nicht.

00:02:46: Die Null steckt voller Potenzial.

00:02:50: Das merke ich nämlich, wenn ich an eine Eins, eine Null anhänge oder ganz viele Dann potenziere ich das Ganze und doch eigentlich durch diese Null, die doch gar nichts ist.

00:03:06: Das mag sich jetzt wenig spektakulär anhören, aber wenn ich genau hinschaue nach Sinne, kommt mir die Einsicht, dass das nichts in sich ein Potenzial hat und dass die Lehre ein Raum des Empfangs sein kann.

00:03:24: sowie ein Grug, der zwar an sich leer ist, den es aber braucht, um Wasser aufzufangen.

00:03:32: Ich könnte auch sagen, in der Meditation verbinde ich mich mit dem Nichts, nicht denken, nichts machen, nichts formulieren.

00:03:42: Ich werde leer.

00:03:45: Ich drücke sozusagen die Reset-Taste und bringe mich auf Null.

00:03:52: Ja, aber dabei muss es nicht bleiben.

00:03:54: Daraus kann eine Empfänglichkeit entstehen, die sich füllt mit unverhofft neuem, überraschend anderem.

00:04:03: Das ist dann die innere Logik oder anders gesagt, dass der Weg dessen, was ich und viele unter Kontemplation verstehe.

00:04:12: Ich lasse los, verbinde mich mit dem Nichts und irgendwann merke ich, es kommt mir was von woanders her.

00:04:22: Moment mal, denkst du jetzt vielleicht, als Christ verbinde ich mich doch eher mit Gott als dem Nichts.

00:04:31: Stimmt.

00:04:32: Aber was wäre, wenn Gott und das Nichts gar nicht soweit auseinander liegen?

00:04:42: In der christlichen Geschichte des Denkens gibt es eine Spur der Gotteserkenntnis, die nennt sich Via negativa.

00:04:53: Müstiger Meister Eckhardt war ein bekannter Vertreter davon.

00:04:56: Er sagt, wenn du dich Gott nähern willst, musst du alles loslassen, was du von ihm denkst, in Bildern und Gedanken.

00:05:05: Nicht weil das alles falsch wäre, auch die Bibel spricht ja von Gott in Bildern und in Eigenschaften, sondern weil Gott immer noch ganz anders, viel mehr, viel größer ist.

00:05:17: Gott ist immer noch jenseits all unserer Beschreibung, auch der der Bibel.

00:05:24: In der christlichen Kontemplation und Mystik bedeutet das, alle Gedanken loszulassen, leer zu werden, mich Gott ganz zu überlassen, damit er mich füllen kann mit seinem Licht.

00:05:36: Ja, es ist so etwas wie ein Akt der Hingabe auch.

00:05:40: Das Nicht steht hier also für Empfänglichkeit, als Potenzial für etwas, das werden kann.

00:05:49: Aber das nur werden kann, wenn ich das meine, was ich festhalte.

00:05:54: loslasse mich freigebe wenn ich mich öffne für das was der himmel schickt.

00:06:04: es liegt natürlich ein unterschied darin ob ich oder ob mich jemand zum nichts macht mir mein wert abspricht und ich mich deshalb wie staub fühle oder ob ich von mir aus mich loslasse als ein aktes vertrauens weil ich weiß Was ich selbst mache und tue aus meiner Selbstarmächtigung heraus, ist immer auch der Nichtigkeit ausgeliefert, kann verschwinden, ist vielleicht nur eine Momentaufnahme.

00:06:37: Doch wenn ich loslasse und meine Nichtigkeit vor Gott zulasse, dann öffnet sich etwas in mir und ich kann aus unermesslicher Fülle empfangen.

00:06:50: Ich werde leeres Gefäß.

00:06:52: Es kann etwas ins Fliesen kommen.

00:06:54: Ich werde durchlässig.

00:06:56: Für das schöpferische wirken Gottes in mir und an mir.

00:07:01: Und ich erschöpfe mich nicht mehr in mir selbst, sondern speise mich aus der großen mütterlichen Quelle, die unerschöpflich ist.

00:07:13: Letztlich geschieht alle Schöpfung aus dem Nichts.

00:07:17: So erzählt es jedenfalls die Bibel.

00:07:19: Aus dem Nichts ruft Gott alles ins Leben.

00:07:24: in Star sein.

00:07:25: Alles verdankt sich etwas jenseitig größeren, umfassenderen.

00:07:32: Man könnte auch sagen wirklich kreativ, schöpferig wird der Mensch, der sich mit dem Nichts verbindet oder eben mit diesem Potenzial, mit diesem Geheimnis, das mein Tun und Machen und Denken übersteigt.

00:07:51: Seltsamerweise oder vielleicht ist es besser zu sagen, aufschlussreicherweise gibt es da einen schönen Hinweis in der jüdischen Mystik.

00:08:01: Das Wort, das jüdische Mystiker am häufigsten zur Beschreibung Gottes nutzen, ist das nichts.

00:08:09: Das ist aber viel mehr eben als gar nichts, wie schon gesagt.

00:08:13: Es ist der Urgrund und eine andere Bezeichnung im Hebrächen für Ewigkeit.

00:08:20: Es ist ein Urgrund des Lichts, der Möglichkeiten, der Potenzialität.

00:08:27: Ein weiterer Hinweis finden die jüdischen Mystiker in dem Buchstaben des hebrigen Alphabetes.

00:08:35: Ich hätte nicht gedacht, dass Buchstaben so spannend sein können.

00:08:38: Das Besondere an diesem Alphabet ist, dass es nur Konsonanten kennt.

00:08:43: Vokale muss man sich entweder dazudenken und später gab es dafür Hilfszeichen.

00:08:50: Das erste Zeichen des Aleph hat eine eigentümliche Besonderheit.

00:08:54: Es ist nämlich stimmlos.

00:08:57: Es steht für nichts.

00:08:58: Es hat von sich aus keinen Klang, kein Laut.

00:09:02: Es ist der schweigende Stumme-Konsonant.

00:09:05: In gewisser Weise auch so eine Art Platzhalter.

00:09:08: Mit diesem Buchstaben beginnt auch das hebräische Wort für nichts, nämlich arjen.

00:09:16: Bezeichnenderweise beginnt die Bibel dann eben nicht mit diesem Aleph, sondern mit dem zweiten Buchstaben, dem Bet, was für unser Bet steht auch.

00:09:28: Da die hebräische Bibel so voller Symbolik steckt, würde man ja vermuten, dass alles mit dem ersten Buchstaben anfängt.

00:09:37: Doch dieser Stimmekonsonant steht für das Schweigengottes vor allem Anfang für das Nichts vor aller Schöpfung und erst als Gott aus dem unendlichen Nichts, dem ein Sof, tönte Sprach, wurde etwas, das Haus der Welt, der Kosmos.

00:10:00: Daher bedeutet der zweite Buchstabe des Elbräischen Alphabets auch Haus, Bet.

00:10:08: Jüdische Mystik sagt, dass alles aus dem Schweigen Gottes geworden ist.

00:10:14: Daraus entschied die Stöpfung.

00:10:16: Und das Erste, was in die Welt kommt, das Anschauliche, das, was der Schöpfungsbericht beschreibt, ist das Haus der Schöpfung.

00:10:27: Beragit-Bara-Elochim im Anfang schuf Gott und dann wird alles aufgezählt.

00:10:38: In der jüdischen Mystik spielt es eine sehr große Rolle, dass Gott ursprünglich in diesem ein Sof in diesem unendlichen Nichts verborgen war und dass sich aus dieser Potenzialität, diesem Urgrund so etwas wie eine Sehnsucht, eine Entwicklung ergeben hat, dass sich der unermesslich geheimnisvolle ewige Gott danach sehnt, ein Gegenüber zu haben, etwas Lebendiges zu schaffen.

00:11:09: Und so entsteht aus dem Nichts die Schöpfung.

00:11:14: Und seltsamerweise, oder vielleicht sollte ich sagen sinnigerweise, erinnert Gott den Menschen immer wieder an seine eigene Nichtigkeit, an das nichts aus dem alles kommt.

00:11:25: Er nennt ihn Adam, von der Erde genommen, Erde Adamah, also ein Erdling oder von Staub, bin ich genommen, zu Staub muss ich wieder werden, spricht man heute noch an den Gräbern.

00:11:42: Die Menschen haftet also das Nichtige an, aber zugleich kann er sich aus dem Nichts erheben, aufrichten.

00:11:48: aus dem Staub, kann Gott loben, Gott haucht ihm ja eine lebendige Seele ein, den Lebensodem, der ihn förmlich nach oben zieht und daran erinnert, dass er viel mehr ist als Staub.

00:12:03: Es gibt eine schöne jüdische Erzählung.

00:12:07: Darin hat ein former Jude in der linken Tasche Immer ein Zettel auf dem steht, ich bin Staub.

00:12:17: Um ihn daran zu erinnern an seine Nichtigkeit, seine Angewiesenheit.

00:12:21: und in der rechten Tasche hatte ein Zettel auf dem steht, ich bin Gottes Ebenbild, wenig geringer gemacht als Gott, wie der Achter Psalm sagt.

00:12:33: Das zeigt dann seine Würde, seine Größe.

00:12:36: Und in dieser Fruchtbahnspannung leben wir, gestalten wir unsere Leben.

00:12:43: Und nur, wenn wir diese Spannung Frucht behalten, dann kann Leben gelingen, dann überheben wir oder verheben wir uns nicht, machen uns aber auch nicht klein oder zu klein.

00:12:57: Wo wir uns vor der Erde dem Staub, von dem wir sind, verneigen, uns erden, da kann Gott uns finden und kann uns Himmelwärts aufrichten.

00:13:10: Und das ist für mich eigentlich auch der tiefere Sinn aller Meditation und Kontemplation, dem Dasein vor Gott.

00:13:18: Ich Erde mich, verbinde mich mit dem Staub, aus dem ich gemacht bin, letztlich ist es Sternstaub.

00:13:27: Ich lasse los, meine ich, meine Ichhaftigkeit, all das, was mich bedeutsam macht, was mir Größe zu geben scheint.

00:13:36: Ich Erde mich und öffne mich.

00:13:40: Für diesen Raum das Potenzial, wo ich zur Schale zum Gefäß werden kann, ganz leer.

00:13:48: Und in die kann etwas fließen aus dem großen Nichts, das doch so voller Energie und Kreativität und so voller Möglichkeiten ist.

00:13:58: Das Loslassen ist der Weg, nicht das Ziel.

00:14:02: Ich lasse los, damit Gott mich füllen kann.

00:14:06: Manchmal warte ich lange und es bleibt scheinbar alles im Nichts.

00:14:10: Da passiert nichts, aber ich bleibe im Vertrauen, dass Gott auch darin an mir wirkt, mich formt, dass ich aus diesem Nichts etwas erheben und zeigen wird, das mir hilft zum Leben.

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